Liebe Freund*innen,
liebe Mitstreiter*innen,
wir möchten Euch auf diesem Weg über den Prozessverlauf der vergangenen Woche informieren. Vorab einige Infos:
1. Wir gehen im Moment davon aus, dass der Prozess wie geplant am morgigen Dienstag fortgesetzt wird. In der aktuellen Woche, am 12.05. und 13.05. werden die letzten Zeug*innen der Nebenklage aussagen. Dies nur als Hinweis, falls manche sich überlegen, den Prozess zu besuchen. Dies ist die letzte Woche, in der Auschwitz – Überlebende aussagen, sie kommen u.a. aus England, Kanada und Ungarn angereist. Ein Erscheinen um 7:30 Uhr ist weiterhin empfehlenswert (ab 8:30 Uhr beginnt der Einlass), auch letzte Woche kamen nicht alle Wartenden hinein.
2. Es haben sich Prozesstermine bzw. deren Inhalte konkretisiert: Am Donnerstag, den 21.05.2015 werden zwei Sachverständige als Gutachter (Dr. Sven Anders und Dr. Hilke Andresen-Streichert vom UKE / Istitut für Rechtsmedizin) bzgl. Zyklon B, Wirkungsweise etc. vor dem Gericht sprechen. Am Dienstag, den 26.05.2015 wird der ehemalige Richter sprechen, der in den 1990ern die Verhandlung gegen einen ehemaligen „Kameraden“ des Angeklagten führte, in der der Angeklagte damals als Zeuge geladen war und auch aussagte.
3. Es sind vereinzelt auch immer wieder Rechte im Gerichtssaal anwesend, die dem Verlauf als Besucher folgen. Während am letzten Mittwoch der lokale NPDler Jürgen Henke dem Prozess beiwohnte und ohne weiteres Aufsehen das Gericht nach ca. 2 Stunden wieder verließ, ist am Donnerstag ein Mann im Publikum dadurch aufgefallen, dass er immer wieder versucht hat, die Umsitzenden in Gespräche zu verwickeln und nach einem anfänglichen small talk gezielt gegen den Prozess gehetzt und Unwahrheiten verbreitet hat (es habe nie eine Rampe gegeben,… es galt nur der Desinfektion…etc.). Dies in einer sehr offensiven und beharrlichen Weise, da er immer wieder neue Menschen ansprach. Wenn ihr also den Prozess besucht, haltet auch im Publikum Augen und Ohren offen und widersprecht.
Mittwoch, 06.05.2015 Tag 6
Der sechste Verhandlungstag begann mit der Begründung des Vorsitzenden Richters Kompisch, warum die (mittlerweile sehr spärlich besetzten) Plätze der Presse nicht zum Teil in Plätze für Besucher umgewandelt werden. Zum Verständnis: An bisher jedem Prozesstag konnten Wartende nicht mehr eingelassen werden, alle Plätze waren belegt, die Plätze der Presse waren jedoch nur zu 25% besetzt. Richter Kompisch begründete seine Ablehnung in Form von zwei Ausführungen:
a) die Presse habe 60 akkreditierte Plätze. Sollten nun von den nicht besetzten Plätzen welche an die Besucher vergeben werden, so würde im Bedarfsfall das Mischungsverhältnis (der Presse) nicht mehr stimmen.
b) Sollten bis 9:30 Uhr keine weiteren Vertreter der Presse anwesend sein (außer den derzeitigen), so könnte Einlass gewährt werden. Dies würde dann jedoch eine nicht hinnehmbare zeitliche Verzögerung des jeweiligen Prozessgeschehens beinhalten, da die interessierten Besucher im Vorfeld die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen passieren müssten. Ergo: sich rechtzeitig vor der Ritterakademie einfinden, dann ist der Einlass auch möglich.
Ebenso nahm der Vorsitzende Richter Stellung zu dem Antrag des Anwalts der Nebenklage, Prof. Dr. Nestler. Dieser hat in der Vorwoche die Ladung des Staatsanwalts Galm aus Frankfurt beantragt, u. a., damit er seine Auffassung darlegt, mit der er seine Weigerung der erneuten Ermittlungsaufnahme gegen Herrn Gröning im Jahre 2005 begründete. So sei die Auffassung vertreten worden, „dass SS-Wachmannschaften an der Rampe für die Ermordung Hunderttausender Juden überflüssig waren“ (wir haben in der vorherigen mail fälschlicherweise das Wort „unerheblich“ statt „überflüssig“ geschrieben, im Ergebnis aber genauso skandalös):
www.kreisbote.de/politik/auschwitz-ueberlebende-kritisieren-deutsche-justiz-zr-4926834.html
Der Antrag des Anwalts wurde abgelehnt, der Vorsitzende Richter begründete seine Ablehnung damit, dass die Echtheit der Dokumente nicht angezweifelt werden (auch dies sollte bei der Zeugenvernehmung aufgezeigt werden) und zudem eine erneute Stellungnahme nicht zielführend sei. Dies wurde vom Verteidiger, RA Holtermann, bekräftigt. Hier der Spiegel Artikel von 2005:
www.spiegel.de/spiegel/print/d-40325395.html
Im Anschluss sprach der 90jährige Tibor Bolgar aus Montreal, der als Zeuge geladen war. Er begann seine Aussage mit der Schilderung der Besetzung Ungarns durch die Deutschen. Anschließend schilderte er seine Deportation und den Transport mit 80 – 90 Menschen in einem Viehwaggon nach Auschwitz-Birkenau. Im Waggon befanden sich zwei Eimer. Einer war mit Wasser gefüllt, der andere war als Toilette bestimmt. Als sie in Auschwitz ankamen, wurde am Ende der Rampe die Selektion durchgeführt. Seine 13jährige Schwester sowie seine Mutter wurden nach links verwiesen und er nach rechts. Er hat sie dort zum letzten Mal gesehen. Er hat von anderen Menschen erfahren, dass ältere Häftlinge jungen Frauen mit Kindern an der Rampe auf dem Weg zur Selektion gesagt haben „Gib dein Kind einer alten Frau“. Er erinnerte sich, dass alle Menschen ihr Gepäck im Waggon liegen lassen sollten. Ihnen wurde mitgeteilt, dass „das Gepäck nachgetragen“ werde.
In Auschwitz-Birkenau war Tibor Bolgar 3 Tage in einem gesonderten Areal, in dem er nichts erfahren hat, was außerhalb des Areals stattfand. Er schilderte die „Essenvergabe“. Manchmal haben 6 Häftlinge aus einer Schüssel sogenannte Suppe getrunken, die fast nur aus dreckigem Wasser bestand. Die Grundausstattung bestand eigentlich für jeden Häftling aus einem Löffel und einer Blechkelle. Morgens gab es einen halben Liter sogenanntes Kaffeewasser und mittags die sogenannte Suppe. Sonntags gab es Brot, zuerst einen 2/3 Laib dann nur noch 200g.
Er konnte nicht verstehen, was die Männer der Wachmannschaften auf deutsch über sie sagten aber er erinnerte sich an das Wort „Hunde“. Er sagte, dass die Häftlinge die Worte so verstanden haben, dass sie wie Hunde seien und wie Hunde behandelt werden könnten. Er betonte daraufhin, dass sie sich gewünscht hätten, wie Hunde behandelt zu werden, da die Deutschen gut zu ihren Hunden waren.
Er hat damals angegeben, Elektriker zu sein, da stets ein Bedarf an handwerklich fähigen Arbeitskräften bestand. Nach drei Tagen wurde er deshalb mit anderen Häftlingen ins ehemalige Warschauer Ghetto gebracht. Dort sollte der nunmehr nur noch verbliebene Schutt geräumt werden.
Er erzählte auch über die Arbeitsbedingungen: An sechs Tagen in der Woche mussten alle Häftlinge 12 Stunden Schutt räumen. Wenn jemand beim Tragen der 50 Kg schweren Zementsäcke zusammenbrach, durfte niemand ihm aufhelfen.
Herr Bolgar war auf dem ersten Todesmarsch der Geschichte nach Dachau und schilderte unter anderem ein Ereignis, dass für ihn bis heute sehr schrecklich ist. Unter den Häftlingen auf dem Todesmarsch war ein taubstummer Mann. Er wurde stets von anderen Häftlingen begleitet und gelotst. Nach 5 Tagen ohne Essen und ohne Wasser wurde an einem See eine Pause eingelegt. Die Männer sind ins Wasser gegangen. Als von den Wachmannschaften der Rückruf kam, hat der taubstumme Mann nichts gehört. Er war unter Wasser als die anderen um ihn herum den See verließen. Dann stellten die Häftlinge fest, dass er noch im See stand. Sie mussten dann mit ansehen, wie die Wachmannschaften ihre Hunde auf ihn hetzten, die ihn sofort angriffen. SS-Männer haben ihn dann unter Wasser gedrückt bis er tot war.
Von Dachau kam er in das Außenkommando Mühldorf in die Rüstungsproduktion für die Luftwaffe. Das Lager wurde „Lager 60“ genannt. Die 60 stand für die Zahl der Tage, nach denen die Häftlinge meistens starben. Er berichtete von wöchentlichen Rasieraktionen am Sonntag, „wir waren verlauste Skelette“. Sie mussten stets ihre verlauste Bekleidung behalten. Er sollte dann an einen anderen Ort gebracht werden, an dem die Menschen sofort getötet wurden. Auf dem Weg dorthin wurde der Zug von den Alliierten angegriffen und er konnte endlich den Deutschen entkommen.
Die US-Armee brachte die verbliebenen ehemaligen Häftlinge in eine Einrichtung, die der Hitler-Jugend gehörte. Dort hat er dann zum ersten mal seit einem Jahr auf einem Stuhl gesessen und an einem Tisch gegessen. Es gab Weißbrot und richtige Suppe. Er erzählte weiter, dass sie diese normale Nahrung nicht mehr gewohnt waren und viele Menschen deshalb starben. „Das Essen war zu fett, mehr als 300 von uns starben daran“. Er selbst lag 9 Tage schwer krank im Bett und überlebte.
Tibor Bolgar versuchte dann zwei Jahre auszuwandern, was ihm dann schlussendlich gelang. Er hat über einen Zufall von dem Überleben seines Vaters erfahren. Aus dem Ort in Ungarn, aus dem er kam, hatten nur 150 Juden von 1100 überlebt. Auf die Frage des Richters, wie viele Menschen aus seiner Familie tot seinen, antwortete er: „15% haben überlebt, alle anderen sind getötet worden“.
In seiner Aussage sagte Herr Bolgar, dass er die Welt gehasst habe. Er habe die einen dafür gehasst, was sie ihm und den anderen Juden angetan haben und die anderen habe er dafür gehasst, dass sie zu wenig oder gar nicht geholfen haben. Er berichtete, dass es sehr früh schon eine Konferenz gegeben habe. Dort saßen viele Staatsoberhäupter und die Frage über die Ausreise der Juden aus Deutschland stand im Raum. Niemand, so sagte er, habe dort etwas gesagt oder bereit erklärt etwas zu tun. Er sei nach Venedig gefahren, da dort bereits vor Jahrhunderten ein Ghetto geschaffen wurde. Dort existiert ein Gedenkstein, auf dem u.a. steht, „wir dürfen nicht vergessen“. Er war enttäuscht darüber, wieviel seit damals trotz dieser Mahnung geschehen ist. Er wollte mit diesem Hass nicht mehr leben.
Herr Bolgar berichtete davon, dass er häufig nach Auschwitz fahre, aber nicht als Überlebender. Er sagte dazu, dass er als Zeuge dort sei und anderen Menschen berichten wolle, damit auch diese dann Zeugen sind. Er schilderte die erstaunten Gesichter der dortigen Besucher über die riesigen Berge u.a. an Schuhcreme und Küchenartikeln. Er sagte, dass die Juden dachten, dass sie Sonntags in die Synagoge gehen könnten und die Frauen überlegten welche Geräte sie für ihre Gerichte bräuchten. „Wir dachten damals, wir kommen in ein Arbeitslager“.
Er beendete seine Aussage mit den Worten „Wir müssen uns erinnern“.
Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Rechtsanwälte der Nebenklage erkundigten sich bei Herrn Bolgar nach der Atmosphäre auf der Rampe beim Verlassen des Zuges. Tibor Bolgar sagte „Wir alle waren verwirrt“. Alle haben nur auf den Boden gesehen und kaum aufgeblickt. Er habe Männer in Uniform gesehen, diese jedoch nicht in Funktionen bzw. Berufsgruppen unterscheiden können. Er hatte zudem Hundegebell gehört. Er erinnerte sich an die Schlange an der Rampe und an die Soldaten, die sie in diese Schlange zurück schickten und traten, wenn man sie verließ. Diese Schlange, die am Ende, dem Ort der Selektion über Leben oder Tod entschied.
Nach der Zeugenaussage von Tibor Bolgar, trat Ilona Elaine Kalman als Nebenklägerin auf und verlas einen vorbereiteten Text. Frau Kalman ist 67 Jahre alt und kommt ebenfalls aus Montreal, wo sie u.a. als Journalistin und Autorin tätig ist. Sie ist die Schwester von Judith Kalman, die am 5. Prozesstag als Zeugin der Nebenklage ausgesagt hatte. Ilona Elaine Kalman berichtete von dem Leben ihrer Eltern und ihrer kleinen Halbschwester Edith, genannt Evike. Ihr Vater hatte Auschwitz überlebt aber seine Frau und Mutter des gemeinsamen Kindes ist dort getötet worden, ebenso die ihre Halbschwester selbst. Frau Kalman schilderte wie sie selbst aufwuchs. Sie berichtete von den Fotoalben, die ihre Eltern mit Leben füllten, indem sie ihr viele Geschichten über die Menschen erzählten. Die kleine Evike hatte bereits früh, mit vier Jahren, lesen und schreiben gelernt und stets kleine Briefe an ihren Vater geschrieben, die dieser aufbewahrte. Während Frau Kalman über Evike sprach, wurde auf der Leinwand im Saal einer dieser Briefe gezeigt. Im weiteren Verlauf hat Frau Kalman auch weitere Bilder aufgezeigt, einige sind hier festgehalten:
http://montrealgazette.com/gallery/0425-extra-war-crimes-gallery
Der Angeklagte Gröning hatte diese Bilder kurz angesehen und dann seinen Blick wieder gesenkt.
Ilona Elaine Kalman trug vor, wie Evikes Mutter den 6. Geburtstag des Kindes wahrnahm. Die Mutter sagte damals zu ihr „Mein liebes Kind, du sollst 120 Jahre alt werden“ (jüdisches traditionelles Sprichwort) und vertraute dem Vater ihre Traurigkeit an „Ich bedaure, dass unser geliebtes Kind in diesen traurigen Zeiten leben muss, mögen die nächsten Geburtstage unter glücklicheren Umständen stattfinden.“ 45 Tage später sind Evike und ihre Mutter direkt von der Rampe zur Selektion in die Gaskammer geführt worden.
Frau Kalman gab an, dass der Holocaust stets Gast in ihrem zu Hause war. Wenn sie mit ihrer Schwester Judith und den Eltern am Tisch saß, so lernte sie früh deutsche Orte kennen, Sie erinnerte sich an die Namen: Bergen-Belsen, Dachau, Auschwitz,… Obwohl Evike vor ihr geboren war, so habe sie stets das Gefühl von einer kleinen Schwester, wenn sie an sie denke.
Als ihr Vater starb, sagte eine Freundin der Familie (deren eigene Angehörigen alle in Auschwitz ermordet wurden), dass dies für sie eine neue Erfahrung sei „Abschied nehmen zu können“. Sie saßen Schiwa, hängten die Spiegel ab, gedachten des Verstorbenen und trauerten. Sie veranschaulichte durch diese Aussage, bei vielen Menschen nicht einmal die Möglichkeit des Abschiednehmens und Trauerns gegeben war.
Über die Mutter von Evike sagte Frau Kalman, dass sie eine sehr willensstarke Frau gewesen sei. Ihre kleine Halbschwester sei an der Hand ihrer Mutter auf der Rampe in Auschwitz das Todesurteil für sie gewesen. Niemals hätte sie aber ihr Kind losgelassen.
Nach den Ausführungen von Frau Kalman erkundigte sich Rechtsanwalt Holtermann über die weitergehende Planung bzw. den zeitlichen Verlauf. Sein Mandant sei körperlich erschöpft.
Richter Kompisch antwortete, dass er es als schwierig ansehe, da als nächstes der Historiker Herr Hördler als Sachverständiger geladen sei und nur noch bis zum nächsten Tag Zeit hätte.
Rechtsanwalt Holtermann sagte, dass sein Mandat lediglich noch 30 Minuten dem Prozess beiwohnen könne. Der Richter fragte dann die Nebenklage, ob die Zeugin Frau Weiss statt am 7. Mai bereits an diesem Tag ihre Aussage machen könne. Rechtsanwalt Holtermann warf daraufhin ein, dass es nicht gewollt sei, die Zeugin unter Zeitdruck aussagen zu lassen. Die Nebenklage wollte dies mit Frau Weiss besprechen, gab gleich aber zu bedenken, dass es für sie eine schwere emotionale Situation sei, da sie sich auf den 7. Mai vorbereitet und eingestellt habe.
Das Gericht fasst daraufhin den Beschluss, den Prozeßtag zu beenden und sowohl den Sachverständigen als auch die Zeugin am folgenden Tag aussagen zu lassen. Der Richter ergänzte, auch trotz dieser Vertagung sei der Prozess insgesamt weiterhin in einem „guten Fahrplan“.
Hier noch einige Artikel:
www.bbc.com/news/world-europe-32493010
Donnerstag, 07.05.2015 Tag 7
Der Prozesstag begann eine halbe Stunde verspätet und es war allen Anwesenden klar, dass eine Änderung bevorsteht, da der Angeklagte nicht erschienen war. Der Vorsitzende Richter Kompisch klärte die Situation auf, der Gesundheitszustand des Angeklagten habe sich zum Vortag nicht verbessert, aufgrund seiner Abwesenheit kann heute kein Prozesstag durchgeführt werden. Es wurde ebenso ausgeführt, dass nun neben dem Hausarzt des Angeklagten auch ein Gerichtsmediziner hinzugezogen werden soll, um die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten zu beurteilen. Dies wurde bereits am Vortag von einem Anwalt der Nebenklage beantragt, um eine bessere Planbarkeit des Prozessverlaufs zu erhalten. Zentral stand nun die Frage im Raum, wie der weitere Verlauf der Tatsache gerecht werden kann, dass die Zeugin der Nebenklage Irene Weiss nur noch am heutigen Tag anwesend ist. Es folgte eine Unterbrechung und Beratschlagung, welche Möglichkeiten der Anhörung der Zeugin bestehen, sie ist für ihre Aussage aus Fairfax / USA angereist. Es wurden von Vertretern der Nebenklage verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt:
– Die Zeugin bleibt solange in der Stadt, bis der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist und sagt dann aus. Dies stellt eigentlich keine Option dar, da für die Zeugin überhaupt nicht planbar.
– Die Zeugin kommt wieder, wenn der Angeklagte wieder verhandlungsfähig ist. Dies stellt in Anbetracht einer langen Reise aus der USA und des hohen Alters / der Belastung für die Zeugin auch keine Option dar.
– Es erfolgt eine kommisarische Vernehmung, dies ist möglich, wenn der Angeklagte nicht anwesend ist, aber dem zustimmt. Ebenso müssten sämtliche Nebenkläger*innen zustimmen und die Öffentlichkeit wäre auszuschließen. Diese Option wurde von den Vertretern der Nebenklage als von ihnen favorisierte diskutiert und nach einer Pause stellte der Richter Kompisch fest, dass eine kommisarische Vernehmung nicht erfolgen wird. Erklärung des Landgerichts dazu: „Die strafprozessualen Voraussetzungen für eine kommissarische Vernehmung der Zeugin Weiss, die von der Nebenklage angeregt worden war, hat die Kammer für fraglich erachtet und deshalb von einer solchen Vernehmung, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch ein Mitglied der Kammer erfolgt wäre, abgesehen.“ Es wurde beschlossen, dass die Zeugin ihre Aussage schriftlich einreicht / hinterlässt, die dann im Fortgang des Prozesses verlesen wird.
Frau Weiss hat Fotos mitgebracht, die die Situation an der Rampe in Auschwitz Birkenau zeigen, auf dem Foto ist sie zu sehen, wie sie nach ihrer Schwester sucht. Dieses und weitere Dokumente wollte sie im Gericht aufzeigen, dies war nun nicht mehr möglich. Das Ende des Faschismus erlebte Frau Weiss im KZ Neustadt Glewe, einem Außenlager des Frauen KZ Ravensbrück. Während ihres jetzigen Aufenthaltes hat Frau Weiss diesen Ort, der ca. 100km von Lüneburg entfernt liegt, aufgesucht. Es war das erste mal nach 70 Jahren. Es ist unglaublich bitter, dass sie ihre Erinnerungen und Erfahrungen nicht persönlich vor Gericht vortragen kann, wir haben hier einige links mit Informationen zu Frau Weiss gesetzt:
www.ushmm.org/remember/office-of-survivor-affairs/survivor-volunteer/irene-fogel-weiss
www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/22229
Mit antifaschistischen Grüßen
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen